Schwere Zeiten und neue Realitäten im Personalwesen – eine Einordnung aus der Praxis
- Schwere Zeiten und neue Realitäten im Personalwesen – eine Einordnung aus der Praxis
13.11.2025 (ML)
Die aktuelle Marktlage zeigt es glasklar: Kaum ein anderer Bürojob ist im vergangenen Jahr so stark von einem Rückgang der Stellenausschreibungen betroffen wie das Personalwesen. Während Vertrieb, Kundenservice, Recht, Marketing oder IT deutlich moderatere Bewegungen verzeichnen, meldet die Jobplattform Indeed im HR-Segment einen Rückgang von rund 25 % – und das innerhalb eines Jahres. Über alle Funktionsbereiche hinweg liegen die Ausschreibungen lediglich bei einem Minus von elf Prozent.
Die Folge: Es mehren sich Stimmen, die grundsätzlich hinterfragen, ob klassische Personalabteilungen im bestehenden Zuschnitt künftig noch benötigt werden – oder ob Unternehmen ohne Personaler nicht sogar effizienter agieren könnten. Begünstigt wird diese Debatte durch die dynamische Entwicklung von KI-Systemen, die immer häufiger administrativ-operative HR-Prozesse übernehmen können. Ein schwieriges Umfeld also für HR-Professionals? Nur auf den ersten Blick.
Tatsächlich bleiben die Vergütungsstrukturen für erfahrene HR-Experten ausgesprochen attraktiv.
Beispiel Chemieindustrie: Hier liegen die durchschnittlichen Grundgehälter erfahrener HR-Spezialisten bereits bei rund 133.700 € – ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Werden Zielvereinbarungen erfüllt, steigt das Jahrespaket auf über 157.000 €. Lediglich Vertriebsfunktionen liegen in dieser Branche darüber.
Diese Zahlen stammen aus dem aktuellen Gehaltsreport von Korn Ferry, der jährlich mehr als 500.000 echte Vergütungsdaten aus über 900 Unternehmen auswertet. Die Analyse basiert somit nicht auf Selbstangaben oder theoretischen Bandbreiten, sondern auf realen Gehaltsstrukturen aus Konzernen und Mittelstand.
Auffällig ist die große Spreizung zwischen den Branchen:
- In der Öl- und Gasindustrie erzielen HR-Einsteiger mit akademischem Abschluss im Median rund 80.700 €.
- In der Pharmabranche liegt dieser Wert bei 69.000 €.
- Mit Zielerreichung steigen die Gesamtagenden in Öl & Gas sowie Chemie auf knapp 96.000 €.
- Der Maschinenbau fällt mit 76.500 € deutlich zurück (minus acht Prozent zum Vorjahr).
- Überraschend positiv zeigt sich die Autoindustrie: Hier steigen die Vergütungen für Einsteiger ebenso wie für erfahrene HR-Spezialisten – entgegen der Krisenstimmung.
Der Trend ist eindeutig: Je erfahrener der HR-Profi, desto stabiler und wertiger die Vergütungslandschaft. Besonders in Öl & Gas rangieren Senior-HR-Rollen verglichen mit Ingenieuren, Buchhaltern, Logistikern oder IT-Profilen an der Spitze. Die jungen HR-Talente derselben Branche finden sich hingegen im hinteren Mittelfeld wieder.
Eine zweite Studie der Personalberatung Hays bestätigt die Richtung. Entscheidend für das Gehalt im HR-Umfeld ist erneut die Unternehmensgröße. HR-Führungskräfte in Organisationen über 500 Mitarbeitende verdienen bis zu 18 % mehr als ihre Kollegen in kleineren Strukturen.
Zudem zeigen sich deutliche Zufriedenheits- und Wechselbereitschaftsunterschiede zwischen den HR-Rollen:
- Im Recruiting sind 45 % der Fachkräfte mit ihrer Vergütung zufrieden – gleichzeitig wären 75 % wechselbereit.
- In der Personalentwicklung sind 50 % zufrieden, während die Wechselbereitschaft bei 46 % liegt.
- Nach externen Benchmarks liegt die Fluktuationsneigung im HR-Controlling oder in der Payroll sogar unter 30 % – ein Indiz für stabilere Rollenbilder.
Ergänzende Marktdaten (aus HR-Benchmarking & Beratungspraxis):
- Administrative HR-Funktionen werden durch KI-gestützte Tools laut aktuellen Studien um 30–40 % effizienter (z. B. Dokumentenerstellung, Payroll-Vorbereitung, Standard-Recruiting-Prozesse).
- Strategische HR-Kompetenzen – Workforce-Planning, Organisationsdesign, Change-Management – steigen im Marktwert. In DAX-Unternehmen liegt das Gesamtkompensationspaket für HR-Business-Partner inzwischen häufig im Bereich 90.000–140.000 €, abhängig von Branche und Verantwortungsbreite.
- Die Nachfrage nach HR-Rollen verschiebt sich klar in Richtung „People & Culture“, Datenkompetenz und Transformationsmanagement. Reine „Sachbearbeitungsrollen“ verlieren Marktanteil.
- Laut LinkedIn Workforce Report steigt die Anzahl der HR-Stellen mit Fokus auf Transformation, Analytics und Compliance seit Mitte 2024 wieder leicht an – aktuell um rund 4–6 %.
Unser Fazit:
Der HR-Markt konsolidiert sich – aber er professionalisiert sich zugleich. Niedrigschwellige Rollen werden durch Technologie substituiert; komplexe Rollen gewinnen an Wert. Unternehmen, die HR als strategische Value-Creation-Funktion denken, zahlen weiterhin überdurchschnittlich.
Kurz: Es sind herausfordernde Zeiten für das Personalwesen – aber keineswegs schlechte. Entscheidend ist, in welchem Segment man unterwegs ist und welche Wertschöpfungsbeiträge HR sichtbar macht.