Der Aufhebungsvertrag
- Verhandlung mit harten Bandagen
Auch dann, wenn ein Vorgesetzter starken psychischen Druck ausübt, damit ein Aufhebungsvertrag unterschrieben wird, muss man sich daran halten. Vorgesetzte haben daher einen nicht unerheblichen Spielraum bei der Verhandlung von Aufhebungsverträgen, auch wenn es bestimmte Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen. Daher bereitet es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oftmals Schwierigkeiten, nachträglich doch noch wegen unzulässiger Verhandlungsmethoden vom Aufhebungsvertrag zurückzutreten.
So hat das BAG (Bundesarbeitsgericht) die Klage einer Arbeitnehmerin endgültig abgewiesen, die den von ihr unterschriebenen Aufhebungsvertrag versucht hatte anzufechten.
Was war passiert?
Die Klägerin war in einem Unternehmen im Bereich Verkauf als Teamkoordinatorin beschäftigt. Am 22. November 2022 wurde Sie zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer und einem Unternehmensjuristen gebeten. Der Jurist stellte sich als Fachanwalt für Arbeitsrecht vor. Der Klägerin wurde das Gespräch im Vorfeld nicht angekündigt. Im Gespräch wurde der Klägerin vorgeworfen, unberechtigterweise Einkaufspreise im IT-System des Unternehmens verändert zu haben, um so höhere Verkaufsgewinne vorzutäuschen. Ihr wurde im Gespräch ein Aufhebungsvertrag mit Beendigungsdatum des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. November 2022 angeboten. Die Klägerin führte aus, dass ihr mit einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige gedroht wurde, sollte sie sich weigern den Vertrag sofort zu unterschreiben. Sie hätte um Bedenkzeit gebeten sowie um die Möglichkeit, sich juristisch beraten zu lassen. Mit dem Hinweis, dass das Angebot nur sofort angenommen werden könne, wurde ihr die Bedenkzeit verweigert. Nach rund 10 Minuten unterschrieb die Klägerin die Aufhebungsvereinbarung.
Drohungen mit fristloser Kündigung und Strafanzeige durchaus möglich Vorgesetzte können sehr wohl mit einer fristlosen Kündigung und/oder einer Strafanzeige drohen, wenn sie diese tatsächlich in Erwägung ziehen dürfen. Aufhebungsverträge sind dann unwirksam, wenn die angekündigten Folgen rechtlich offensichtlich unhaltbar sind. Im konkreten Fall der Klägerin stand aber ein betrügerisches Handeln im Raum, so dass der Arbeitgeber durchaus Grund hatte, eine fristlose Kündigung sowie eine Strafanzeige zu erwägen.
Massiver Druck ist kein unfaires Verhalten
Das BAG hat darüber hinaus entschieden, dass der Arbeitgeber in diesem Fall auch nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen hat. Noch 2019 hatte das Gericht betont, es dürfe „keine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werden, welche eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung erheblich erschwert oder gar unmöglich macht“. Nach der nun ergangenen Entscheidung haben Vorgesetzte bei den Verhandlungen von Aufhebungsvereinbarungen viel Spielraum, um massiven Druck auszuüben. Im konkreten Fall kommen das unangekündigte Gespräch, die Personenmehrheit auf Seiten des Arbeitgebers inklusive Rechtsanwalt, die Drohung mit der fristlosen Kündigung und Strafanzeige sowie keine Bedenkzeit oder Möglichkeit der juristischen Beratung zusammen. Nach dieser Entscheidung haben Arbeitgeber mehr Rechtssicherheit über die zulässigen Druckmittel im Rahmen der Verhandlungen von Aufhebungsverträgen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet dies im Umkehrschluss, niemals unüberlegt Verträge zu unterschreiben. Beide Parteien sollten Inhalt und Umstände des Gesprächs unbedingt schriftlich dokumentieren.
Bundesarbeitsgericht, 24.02.2022, Az.: 6 AZR 333/21